Ich habe in den vergangenen Tagen eine der Grundregeln des Performancetunings außer Acht gelassen. Eine einfache Regel, die ich vor vielen Jahren auf einer internen Konferenz bei Sun gelernt habe. Eine Frage, die man sich als aller erstes stellen sollte, die man seinem Kunden gleich als erstes stellen sollte. Gelernt habe ich diese vor über 20 Jahren von einem Kollegen, einem der Großen in meinem Metier, auf dessen Schultern ich bis heute gefühlt stehe. Der leider viel zu früh gestorben ist. Und auch das ist schon schon fast 12 Jahre her.

Die Frage, die er aufgebracht habe, die ich mir, die ich meinem Gegenüber seitdem zuerst stelle, ist: „Ja, es ist langsam. Ist es aber zu langsam? Wenn nein, warum sollte man sich drum kümmern?“. Insbesondere wenn es drumherum noch andere Probleme gibt.

Ja, klar … jede Sekunde, die der jekyll/rsync-Prozess nicht braucht, ist intellektuell interessant, herausfordernd. Aber was gewinne ich dadurch, wenn der Prozess 15 statt 20 Sekunden dauert? In der Zeit habe ich gerade mal meine Kaffeetasse genommen, einen Schluck getrunken, kurz in die Ferne aus meinem Dachfenster geguckt, die Tasse wieder abgestellt, mich über den Kaffeefleck auf meinem Mousepad geärgert - als das Abstellen der Tasse das letzte Mal zu unvorsichtig war -und den Browser zum Betrachten der neu generierten Seite geöffnet.

Nur weil der Prozess schneller wird, werde ich ja nicht schneller. Vielleicht eher im Gegenteil.

Vielleicht steckt darin sogar eine Lebensweisheit, an die man sich halten sollte. Warum etwas im Leben über den Grad der Notwendigkeit hinaus optimieren, wenn es noch so viel anderes gibt, das auf der langen Liste steht: Jener Dinge, die man noch machen muss. Jener Dinge, die man noch machen will.

In der Zeit, in der ich eine Sekunde aus einem Prozess fürs Blog optimiere, hätte ich genauso gut endlich mal meine Schwäche beim Lesen der kleinen und großen Oktave beseitigen können. Ist mühsamer, vielleicht intellektuell nicht so interessant. Eröffnet vermutlich aber deutlich mehr Wege. Und meine Lehrerin verzweifelt weniger, dass mein Lesen nach unten immer noch mehr raten als verstehen ist. Um etwas zu lernen, von dem ich hoffe, dass es irgendwann wirksam Stress abbaut, aber Moment gefühlt montags für mehr Stress sorgt, weil ich denke „Verdammt … wieder zu wenig geübt“

Ich hätte auch meinen Wagen waschen können. Die kostenlose Farbe an dem Typ Fahrzeug, das ich momentan fahre, ist weiss. Warum sie kostenlos ist, vermag ich mir nun zu denken. Es ist mein erstes Auto in dieser Farbe. Nachdem Mülltonnengrau äußerst pflegeleicht war, schreit diese Farbe ständig nach waschender Aufmerksamkeit. So sehr, dass ich schon selbst geneigt bin, „Wasch mich!“ auf den Kofferraum zu schreiben. Um mich zu erinnern, welche Lackfarbe unter all dem Schmutz der Strasse zu finden ist.

Und nun ist auch der Frühling im Gange und der Garten schreit lauter werdend mit. Und ich sitze trotzdem vorm Rechner und versuche Sekunden zu optimieren.

Es ist halt schwer, der Versuchung zu widerstehen, noch eine Sekunde, noch eine halbe Sekunde von einem bereits ausreichend schnellen Prozess abzuschneiden. Zumindestens, wenn man schon mal damit angefangen hat, ist es schwer wieder davon abzulassen.

Ist eine Berufskrankheit. Im Beruf brauche ich das. Dieses sich Probleme verbeißen, bis sie gelöst sind. Erlaubt einem, zuweilen ein Kaninchen aus dem Hut zu zaubern. Aber im Privaten? Ich hege Zweifel. Ich habe da keine dauerelastische Nachfrage nach noch Geschwindigkeit und nur sehr eingeschränkt SLAs, die ich zu erfüllen habe. Dafür eine lange Liste an anderen Dingen, die mich gefühlt strafend aus meinem Hinterkopf anguckt.

Wobei … ich weiß eigentlich genau, warum ich mich trotzdem vor den Rechner setze … der Moment, in dem man die Sekunde reingeholt hat, bringt einem mehr Zufriedenheit als gemähtes Gras, von dem man weiß, dass man es in 2 Wochen wieder mähen darf, die Hecke, die sich erdreistet, in vier Wochen das gerade mühsam abgeschnittene Zweigwerk wieder nachwachsen zu lassen.1 Oder das Auto, das nach einer Fahrt im Regen im Grunde wieder so aussieht, als hätte es einen Hochdruckreiniger nur aus der Ferne gesehen und von diesen wasserspeienden Ungetümern nur in Erzählungen anderer Autos auf dem Supermarktparkplatz gehört.

Ist vielleicht eine spezielle Form von Prokrastination, wenn für Prokrastination erscheint es mir zu wenig unanstrengend zu sein. Wobei Optimierungen die gleiche Zeitweiligkeit haben können wie gemähtes Gras: Eine kleine Änderung am System, ein neues Modul für die Software, die das das Weblog generiert, und der Zyklus beginnt von vorne.

  1. Roboter geht nicht. Ich weiss von Igeln hier. Konseqenz eines sorgsam noch weniger umsorgten Teils des Grundstücks. Eichhörnchen sind auch wieder hier, aber die sind zu schnell, um Opfer der Klingen zu werden. Der ewigwährende Kampf zwischen mir und dem Fischreiher auf dem Nachbardach um die drei Goldfische dauert auch noch an. Alterschwäche soll sie hinwegraffen, nicht der Schlund eines blöden, langbeinigen Vogels. 

Written by

Joerg Moellenkamp

Grey-haired, sometimes grey-bearded Windows dismissing Unix guy.