Bei mir hat sich für Samstag eine Idee festgesetzt für eine Strecke. Ich muss mal gucken ob ich das wirklich machen werde. Sonntag kann (naja, ehrlicherweise … will) ich nicht fahren. Es ist reichlich Regen vorausgesagt. Ich kann also nur Samstag fahren. diesem Grund bin ich heute ein wenig kürzer getreten, weil die Strecke morgen möglicherweise länger wird. “Kürzer getreten” bedeutete heute: Hoch zum Nordende des Elbeseitenkanal (ESK), insgesamt mit ein paar Umwegen waren es 58 Kilometer .
Nordende bis Südende des ESK (und/oder umgekehrt) ist auch noch auf meiner Liste. Aber nicht mehr dieses Jahr.
Die Gegend um den ESK ist teilweise recht einsam. Viel Landschaft. Ich achte mittlerweile ein wenig darauf, ob am Beginn von Seitenstrassen ein Auto steht. Das ist mit grosser Sicherheit ein Zeichen dafür, das irgendwo da draussen ein Hund ist. Da an vielen dieser Strassen absolut nichts los ist leider teilweise auch ohne Leine. Was für den Hund sicher grossartig ist, ist zuweilen für mich ein Problem, da mich so einige Hunde schon zu einem kurzen Zwischensprint eingeladen haben. Ich weiss nicht, vielleicht riechen sie die Hunde meiner Familie und suchen nach diesen Hunden. Ich weiss nicht wie lange sich so was hält, wenn man so deutlich besser riechen kann als ein Mensch.
Relikte
Also heute Elbeseiten-Kanal nach langer Zeit mal wieder. Eigentlich ist dieser ganze Kanal in Teilen ein Relikt des kalten Krieges.
Nordende des Elbe-Seitenkanal
Die Verbindung zwischen Mittellandkanal und Elbe war bei Magdeburg. Weil das vor 1989 eher ungünstig war, hat man sich dann entschieden, den Elbeseitenkanal zu bauen. Bei der Gelegenheit hat man dann auch den Querschnitt so gewählt, das ein Durchfahren vom Osten her schwierig ist. Der Kanal für die Binnenschifffahrt war halt auch als Panzersperre gedacht. Oder die Panzersperre auch als als Binnenschiffahrtskanal. War die A1 mit den merkwürdigen Rastplätzen zwischen Heidenau und Sittensen eine Autobahn, auf der auch Flugzeuge landen konnten, oder ein Flugplatz, der von Autos benutzt wurde?
Bei der Gelegenheit hatte man kurz nach der Eröffnung auch Erbstorf (Ein Vorort von Lüneburg) unter Wasser gesetzt. Dammbruch und etwa 40 km Kanal zum Leerlaufen. Ursache war eine kleine Unterführung bei Erbstorf. Man hatte da wohl einige Effekte nicht berücksichtigt.
Unterführung
Es gab zwar ein Sicherheitstor, aber bis der Mensch da war, der es schliessen konnte, hat es wohl 1.5 Stunden gedauert. Und wie gesagt, das nächste Tor war 40 km weit weg. Und das heisst jede Menge Wasser, das irgendwohin fliesst, wo es nicht hinfliessen sollte. Den Quellen nach wurde der Kanal dann mit Panzern gesperrt, in dem sie in den Kanal gefahren wurden. Probleme mit Disaster Recovery Plänen und Signalisierung, wenn sie dann mal gebraucht werden, ist keine Erfindung unserer Zeit. Workarounds, um den Kanal zu patchen auch nicht. Wer mag kann sich die Geschichte auch beim NDR durchlesen.
Fallkörper
Das der Kanal ein Produkt seiner Zeit war, sieht man bei der grossen Unterführung des ESK zwischen Scharnebeck und Erbtorf. Wenn ihr genau hinguckt, seht ihr links und rechts der Strasse. Die beiden grossen Betonpfeiler. Dahinter ist noch mal ein etwas kleinerer Pfeiler Das ist eine Fallkörpersperre. Will man verhindern, das da jemand durch fährt, sprengt man den Sockel, der Fallkörper fällt auf die Strasse, wie es Fallkörper nun einmal sollen und jemand der da durch will, hat erst mal ein grösseres Betonproblem. Für die Bahnstrecke gibt es den kleinen Fallkörper dahinter.
Wenn ihr auf den ganz linken Fallkörper guckt, sieht man sogar, das das dort eine Sollbruchstelle vorgesehen ist, um die Sprengung zu vereinfachen. Der Fallkörper hat ganz unten wenn man genau hinsieht eine Taille.
Im Elbtunnel gab es früher etwas ähnliches. Über den Tunnelportalen waren grosse Betonquader, deren Auflager bei Notwendigkeit einfach hätten gesprengt hätten können. Sie sind mittlerweile entfernt worden.
Viele dieser Relikte sind mittlerweile abgebaut oder nicht mehr erkennbar, aber manche sind immer noch sichtbar. Wahrscheinlich auch, weil es eben so schwer ist, diese Dinge dort wieder loszuwerden, sobald man sie mal in Beton gegossen hat. Immerhin steht der Schwerbelastungskoerper) in Berlin auch heute noch und wird vermutlich bis zum allgemeinen Protonenzerfall des Universums noch irgendwie vorhanden sein. Und so steht an dieser Unterführung wahrscheinlich eine der schwersten uns stabilsten Wuchshilfen der Gegend.
Aber man merkt daran, in was für einer Zeit man gross geworden ist. Ich erinnere mich noch an die Angst, die vieles durchzogen hat. Atomkrieg. 3. Weltkrieg, SS20, Pershing. SDI. Ich erinnere mich an eine Wandzeitung in der Schule, in der Schüler etwas zum Thema Atomkrieg ausgearbeitet haben. In meinem Heimatort standen irgendwann mal Panzer und wir hatten wirklich extrem viele Tiefflieger bei uns in der Gegend. Tschernobyl. Wackersdorf. Startbahn West.
Warum ich mich da so genau dran erinnere? Meine Jugend war relativ übel. Prägt mich bis heute. Mobbing war auch damals schon ein Thema, es ist nur für Jugendliche heute durch soziale Medien aus meiner Sicht deutlich schlimmer geworden. Denn ich hatte zumindestens ein sicheres Zuhause, in dem ich mich in Zeitungen und Büchern versenkt habe. Tür zu. Welt draussen. Ich habe tatsächlich mit meinem Vater gerne die Internationale Presseschau geguckt. Ich weiss: NEEEEEERRD! Ich war also für mein Alter recht gut informiert, was in der Welt so vor sich ging. Und das machte Angst.
Über die Jahre habe ich dann gelernt, wie sehr eigentlich die Zeit, die Ängste, die Vorbereitungen in alles verwoben waren. 1989 war da ein Glücksfall der Geschichte. Ich habe nur den Eindruck, das viele Menschen das mittlerweile nicht mehr so sehen. Aber das ist eine andere Diskussion. Die 80er waren nicht gut, auch wenn das mancherorts verklaert wird. Und die Betonklötze sind da vielleicht ein sehr subtiler Hinweis in wenig subtiler Betonarchitektur.
Wer heute davon redet, früher sei alles besser gewesen, hat meines Erachtens vieles vergessen. Eigentlich ist alles gleich geblieben. Je mehr sich die Dinge ändern, um so mehr bleiben sie gleichen. Wir haben heute nur noch mehr Technik, um die Dinge so schnell zu ändern, das wir kaum hinterherkommen, aber am Ende ändert sich wenig.
Noch’n Relikt
Ich war im Grunde schon auf der Rückfahrt heute. Und wieder schlug von irgendwo eine Assoziation ein, als ich dies am Horizont gesehen habe
Windräder
Kann sich von Euch noch jemand an die Serie „Tripods“ oder auch „Die dreibeinigen Herrscher“. Leider wurde das dritte Buch ja nie verfilmt. Wenn ich Windräder so halb im Dunst sehe, muss ich fast zwangsläufig an die BBC-Serie von damals denken. Fast automatisch. Die Serie findet sich einiger Zeit auf Youtube. Sie ist natürlich schlecht gealtert.
Die Serie ist aus der Mitte der 80er Jahre und dann natürlich mit einem Fernsehbudget produziert. Sie wirkt an vielen Stellen eben auch wie ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit. Ich hatte sie nur deutlich besser in Erinnerung. Die dreibeinigen Herrscher wirkten in meiner Jugend deutlich bedrohlicher, heute wirken sie ein wenig unfreiwillig witzig mit ihrem Reflektor als Auge. So wie Daleks und Cybermen.